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Montag, 23. Oktober 2023
Der Friedenspreisträger und der Frieden
„Von links wie von rechts gerät die Freiheit unter Druck“, sagte Salman Rushdie am Sonntag in der Frankfurter Paulskirche, als er den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels entgegennahm. Auf allen Seiten werde die Meinungsfreiheit „von reaktionären, autoritären, populistischen, demagogischen halbgebildeten, narzisstischen und achtlosen Stimmen angegriffen“. Er habe nie geglaubt, dass er eine solche Zeit erleben müsste, so Rushdie weiter.
Gegen jede Art von Zensur
Es sei eine Zeit, „in der Bildungseinrichtungen und Bibliotheken Zensur und Feindseligkeit ausgesetzt sind“, und eine Zeit, „in der extremistische Religionen und bigotte Ideologien beginnen, in Lebensbereiche vorzudringen, in denen sie nichts zu suchen haben“.
Rushdie kritisierte auch eine neue Art von Zensur, „die sich den Anschein der Tugendhaftigkeit gibt und die viele vor allem junge Menschen für eine Tugend halten“.
Für die Meinungsfreiheit
Dagegen will der Schriftsteller, der nach der Fatwa von Ajatollah Khomeini für Jahrzehnte nur in Verstecken überleben konnte und der im August 2022 einen Messeranschlag nur knapp überlebte, die „Meinungsfreiheit erbittert verteidigen – auch dann, wenn sie uns beleidigt“. Statt mit Zensur zu reagieren, „sollten wir schlechte Rede mit besserer Rede kontern, falschen Narrativen bessere entgegensetzen, auf Hass mit Liebe antworten und nicht die Hoffnung aufgeben, dass sich die Wahrheit selbst in einer Zeit der Lügen durchsetzen kann“.
Engagiert für den Frieden
Frieden ist laut Rushdie „schwer zu schaffen und schwer zu finden“. In der Ukraine toe“ein der Tyrannei eines einzelnen Mannes und seiner Gier nach Macht und Eroberung geschuldeter Krieg – ein trauriges Narrativ, dem deutschen Publikum nicht unbekannt.
Und mit Blick auf Israel und die Gewalt im Nahen Osten sagte er: Frieden will mir im Augenblick wie ein dem Rauch der Opiumpfeife entsprungenes Hirngespinst vorkommen.“ Trotzdem dürfe man nicht aufhören, sich für den Frieden zu engagieren. Denn Frieden zähle zu „unseren großen Werten, die es leidenschaftlich zu verfolgen gilt“.
Vielfalt beim Jugendliteraturpreis
Der Deutsche Jugendliteraturpreis sieht sich als wichtige Orientierungshilfe für junge Leserinnen und Leser - bei jährlich rund 7500 Neuerscheinungen auf dem deutschsprachigen Kinder- und Jugendbuchmarkt. Auf der Buchmesse wurde der Preis in den Kategorien: Bilderbuch, Kinderbuch, Jugendbuch und Sachbuch vergeben. Lesen, das machte Ralf Schweikart, Vorsitzender des Arbeitskreises für Jugendliteratur klar, ist der Schlüssel zu Bildung und Teilhabe. Und die ausgezeichneten Bücher trügen ihren Teil dazu bei.
Diversität als Hauptthema
„Alle unsere Siegertitel eint das Engagement für das Entdecken, Wahrnehmen und Empfinden von Vielfalt“, sagte Iris Kruse, die Vorsitzende der Kritikerjury, auf der Frankfurter Buchmesse. Diversität, Verschiedenheit, Vielfalt ist das Thema der diesjährigen Siegertitel.
Ein stummes Bilderbuch
In der Kategorie Bilderbuch gewann mit „Spinne spielt Klavier“ von Benjamin Gottwald (Carlsen) ein Buch, das ganze ohne Text auskommt. Die knallbunten Illustrationen fordern dazu auf, die jeweils abgebildeten Geräusche nachzumachen, und so darf gesummt, geblubbert, geklimpert oder auch geschlürft werden.
Comic und Versroman
In der Kategorie Kinderbuch siegte mit „Boris, Babette und lauter Skelette“ von Tanja Esch (Kibitz) ein farbenfroher Comic, in dessen Mittelpunkt Babette steht, ein seltsames Wesen, gelb und haarig, auf der Suche nach sich selbst.
Außergewöhnlich ist der Siegertitel in der Kategorie Jugendbuch: Die afrodeutsche Autorin Chantal-Fleur Sandjon hat mit „Die Sonne so strahlend und schwarz“ (Thienemann) einen balladenhaften Versroman über die komplexe Identität einer schwarzen queeren Frau geschrieben.
Queerness im Sachbuch
Auch der Sieger in der Kategorie Sachbuch „Queergestreift“ von Kathrin Köller (Hanser) widmet sich dem Thema Diversität. Anhand eines ganz eigenen ABC‘s wird erklärt, was sich hinter den Buchstaben LGBTIQA+ verbirgt. Auch die originellen Illustrationen von Irmela Schautz tragen dazu bei, Vorurteile abzuschaffen.
Dienstag, 17. Oktober 2023
Buchpreis für Toni Schachinger
Auf der Shortlist für den Deutschen Buchpreis stand Toni Schachinger schon 2022. In diesem Jahr hat der junge Österreicher den Sprung aufs Siegerpodest geschafft. Sein Roman „Echtzeitalter“ erzählt eine coming-of-age-Geschichte mit Schwerpunkt Gaming.
Flucht in die Welt der Computerspiele
Schauplatz ist die Wiener Eliteschule „Marianum“, ein Internat für Kids aus besserem Haus, wo es nicht immer fein zugeht.Im Gegenteil. Doch allen Schikanen zum Trotz geht der junge Till seinen Weg. Er flüchtet in die Welt der Computerspiele und wird beim Echtzeit-Strategie-Spiel „Age of Empires II“ zum weltbesten Gamer. Das allerdings zählt nichts in der Welt der Erwachsenen.
Konflikt zwischen analoger und digitaler Welt
Toni Schachinger geht es in seinem Roman um den Konflikt zwischen den Generationen, den er als einen zwischen analoger und digitaler Welt erzählt. Und beim Gaming sieht er sich in einer Vermittlerrolle: „Ich wollte zeigen, was passiert da eigentlich, wenn man spielt. Was bedeutet das und wie schwer ist es, von diesem Detailwissen, das Till hat, zum dem Wissensstandpunkt seiner Mutter - diese Brücke zu überwinden.“
Das Lob der Jury
„Auf den ersten Blick ist Echtzeitalter ein Schulroman“, begründet die Jury ihre Wahl. Auf den zweiten Blick sei das Buch viel mehr als das – ein Gesellschaftsroman: „Mit feinsinniger Ironie spiegelt Schachinger die politischen und sozialen Verhältnisse der Gegenwart: Aus gebildeten Zöglingen spricht rohe Gewalt. Die Welt der Computerspiele biete einen Ort der Fantasie und Freiheit.“
Der Preisträger zur Weltlage
In seiner Dankesrede ging der Preisträger auch auf die aktuelle Weltlage ein: „Es ist unerträglich zu sehen, was passiert in dieser Welt. Es ist aber auch schwer, darüber zu sprechen, wenn man nicht betroffen ist. Und es ist auch schwer, darüber zu sprechen, wenn man nicht betroffen ist. Und es ist auch schwer, dass immer diejenigen darüber sprechen müssen, die davon betroffen sind.“ Er können nur den Wunsch äußern, dass Jüdinnen und Juden auf der Welt sicher leben können müssen. Sein Dank galt in erste Linie seiner Frau Margit, von der er „alles“ wisse.
Zur Person
Toni Schachinger wurde 1992 in Neu-Delhi als Sohn eines Diplomaten und einer mexikanisch-ecuadoranischen Mutter geboren. Die Familie pendelte zunächst zwischen Nicaragua und Wien, wo Schachinger nach der Scheidung der Eltern blieb, zur Schule ging und studierte.
Montag, 9. Oktober 2023
Literaturnobelpreisträger Jon Fosse
Der Norweger Jon Fosse gebe dem „Unsagbaren eine Stimme“ urteilte die Schwedische Akademie, die dem Dramatiker den Literaturnobelpreis zuerkannte. Seine Landsleute feiern Fosse als den erfolgreichsten norwegischen Dramatiker seit Henrik Ibsen.
Auch Romane und Kinderbücher
Nach seinem literarischen Erstlingswerk „Rot, Schwarz“ (1983) veröffentlichte der Autor Romane, Gedichtbände, Essaysammlungen und Kinderbücher. Seine Protagonisten sind oft tief deprimiert und mit ihren Lebensplänen gescheitert.
Melancholie und Mystik
Geprägt hat Fosse wohl seine norwegische Herkunft. Aufgewachsen ist er an der von Fjorden geprägten Westküste, einer melancholischen Landschaft. Diese Melancholie ist auch in seinen Romanen und Theaterstücken zu spüren ebenso wie etwas Mystisches, das wohl aus ihm selbst kommt. Auf der Suche nach dem richtigen Glauben trat er aus der protestantischen Kirche aus und zu den Quäkern über, ehe er Katholik wurde. Davon erzählt er auch in dem Buch „Geheimnis des Glaubens“.
Vielfach ausgezeichnet
Fosses Werke wurden in 40 Sprachen übersetzt, seine Theaterstücke werden auf den großen Bühnen der Welt aufgeführt. Zuletzt ist sein Roman „Ich ist ein anderer“ auf Deutsch erschienen. Für sein Prosawerk „Trilogie“ bekam er den Literaturpreis des Nordischen Rates und für sein Gesamtwerk erhielt er den Straßburger Europäischen Preis für Literatur.
Rückzugsort auf Lebenszeit
Der fünffache Vater Fosse gilt als hypersensibel, er scheut die Öffentlichkeit und braucht Rückzugsorte wie im österreichischen Städtchen Hainburg an der Donau, wo er mit seiner dritten Frau zeitweise lebt. Seit 2011 kann sich Jon Fosse zum Schreiben auch in die staatliche Künstlerresidenz „Grotte“ am Rand des Osloer Schlossparks zurückziehen. Das Haus, das ursprünglich dem Dichter Henrik Wergeland gehörte, wird seit dessen Tod einem großen norwegischen Künstler auf Lebenszeit zur Verfügung gestellt.
Dienstag, 19. September 2023
Terézia Mora wieder auf der Shortlist
196 Titel musste die siebenköpfige Jury des Deutschen Buchpreises 2023 sichten. 20 Titel kamen in die nähere Auswahl. Nun wurden die sechs Finalistinnen und Finalisten bekannt gegeben.
Sechs im Finale
Auf der Shortlist steht zum zweiten Mal Terézia Mora mit „Muna oder Die Hälfte des Lebens“. 2013 hatte sie für ihren Roman „Das Ungeheuer“ schon einmal den Deutschen Buchpreis erhalten. Ebenfalls unter die sechs Auserwählten kamen Necati Öziri (Vatermal, Anne Rabe (Die Möglichkeit von Glück), Tonio Schachinger (Echtzeitalter), Sylvie Schenk (Maman) und Ulrike Sterblich (Drifter).
Die Probleme der Gegenwart
Diese Romane, so Jurysprecherin Katharina Teutsch, kämen miteinander ins Gespräch, wenn man sie nebeneinander lege: „Dieses Gespräch handelt von unseren Prägungen: von Erziehung und sozialer Herkunft, von politischen Ideologien, von dramatischen Systemwechseln und den Härten der Migration – von all dem also, was unsere Gegenwart ausmacht und herausfordert.“
"Blutbuch" siegte 2022
Die Stiftung Buchkultur und Leseförderung des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels würdigt mit dem Deutschen Buchpreis den besten deutschsprachigen Roman eines Jahres. Er wird seit 2005 verliehen und gilt als eine der wichtigsten Auszeichnungen der Branche. 2022 ging der Preis an Kim de l‘Horizon für „Blutbuch“.
Dienstag, 2. Mai 2023
Preis der Leipziger Buchmesse
Der Preis der Leipziger Buchmesse 2023, der in drei Kategorien ausgeschrieben wird, ist vergeben. Eine siebenköpfige Jury wählte aus 465 Werken, die von 161 Verlagen eingereicht wurden, die Preisträger. Zuletzt waren jeweils fünf Werke nominiert.
In der Kategorie Belletristik wurde überraschend Dinçer Güçyeter für sein Buch „Unser Deutschlandmärchen“ ausgezeichnet. Darin erzählt er seine Familiengeschichte über mehrere Generationen. Der Roman lasse die Worte zum Himmel fliegen, spare aber gleichzeitig die Demütigungen am Boden nicht aus, urteilte die Jury.
Der Preis in der Kategorie „Sachbuch/Essayistik“ ging an Regina Scheer für ihr Buch „Bittere Brunnen. Hertha Gordon-Walcher und der Traum von der Revolution“. „Bittere Brunnen“ gehe weit über eine gewöhnliche Biographie hinaus, so die Jury: „Meisterlich und transparent verwebt die Autorin historische Recherchen mit persönlichen Erinnerungen.“
Für die beste Übersetzung wurde Johanna Schwering ausgezeichnet. Sie hatte Aurora Venurinis Buch „Die Cousinen“ aus dem argentinischen Spanisch übersetzt. Das Urteil der Jury: „Schwerings Übersetzung nimmt die Unverschämtheiten des Originals mutig auf und folgt den eigentümlichen Grammatikregeln des Originals sowie seiner besonderen Härte und seinem sprühenden Witz.“
Montag, 24. Oktober 2022
Friedenspreis für Serhij Zhadan
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Dienstag, 18. Oktober 2022
Buchpreis für Kim de l'Horizon
Denis Scheck hätte den Buchpreis gern bei Jan Faktor für „Trottel“ gesehen. Die Jury hat sich anders entschieden, aber die Entscheidung kam in diesen Zeiten, in denen viel über Gender diskutiert wird, nicht ganz überraschend. Mit Kim de l‘Horizon hat erstmals eine non-binäre Person den Deutschen Buchpreis erhalten – für den Roman „Blutbuch“. Es sei nicht ganz einfach gewesen, sich auf einen Roman zu einigen, gestand die Jury-Vorsitzende bei der Preisverleihung.
Kleine Sensation bei der Preisverleihung
De l‘Horizon reagierte überrascht und dankte erstmal seiner Mutter. Statt einer vorbereiteten Rede gab es ein Lied „Nightcall“ über eine Transitionsgeschichte. Was dann geschah, war eine kleine Sensation bei der Buchpreis-Verleihung. De l‘Horizon rasierte sich unter dem Beifall des Publikums die Haare ab – aus Solidarität mit den Frauen im Iran.
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Donnerstag, 6. Oktober 2022
Literaturnobelpreis an Annie Ernaux
Annie Ernaux, 1940 in Lillebonne geboren, ist die Nobelpreisträgerin für Literatur 2022. Die 82-jährige französische Schriftstellerin ist vor allem bekannt für ihre autofiktionale Technik, mit der sie eigene Erlebnisse zu großer Literatur verdichtet. Ernaux wuchs in bescheidenen aber behüteten Verhältnissen auf – die Eltern hatten einen Krämerladen mit Café. Sie wurde katholisch erzogen. Nach dem Besuch eines Mädchenpensionats studierte Ernaux Literaturwissenschaften in Paris und promovierte 1971. Da arbeitete sie bereits als Gymnasiallehrerin, später unterrichtete sie als Dozentin an der staatlichen Fernuniversität.
Den Durchbruch in Deutschland hatte die Autorin mit dem 2017 erschienenen Werk „Die Jahre“. Auch „Die Scham“, „Der Platz“ und „Eine Frau“ wurden Bestseller. In ihren Büchern thematisierte Ernaux unter anderem ihre Scheidung, ihre Abtreibung und ihre Krebserkrankung. Sie sei „Ethnologin ihrer selbst“ hat die Schriftstellerin ihr literarisches Schaffen charakterisiert.
Das Nobelpreiskomittee der Schwedischen Akademie zeichnet Annie Ernaux aus „für ihren Mut und den klinischen Scharfblick, mit denen sie die Wurzeln, Entfremdungen und kollektiven Beschränkungen der persönlichen Erinnerung bloßlegt“. Als der schwedische Fernsehsender SVT Annie Ernaux am Telefon hatte, sagte sie: „Ich war sehr überrascht“ und sie sehe „eine große Verantwortung, nicht nur durch mein Schreiben eine Art von Genauigkeit und Gerechtigkeit gegenüber der Welt herzustellen“.
Der Nobelpreis für Literatur wird seit 1901 vergeben und ist mit zehn Millionen schwedischen Kronen (rund 920.000 Euro) dotiert. Er gilt als die prestigeträchtigste literarische Auszeichnung der Welt.
Mittwoch, 24. August 2022
Die Longlist zum Buchpreis
233 Titel hat die Jury gesichtet, 20 Romane haben es in die Auswahl für den Deutschen Buchpreis 2022 geschafft. Unter den Nominierten sind zwölf Frauen und sieben Männer sowie Kim de l'Horizon, eine nicht-binäre Person.
Auf der Longlist stehen unter anderen die neuen Werke bekannter Autoren wie Heinz Strunk, Kristine Bilkau, Theresia Enzensberger, Fatma Aydemir und Eckhart Nickel. Mit dabei sind auch vier Romandebüts: „Freudenberg“ von Carl-Christian Elze, „Blutbuch“ von Kim de l'Horizon, „153 Formen des Nichtseins“ von Slata Roschal und „Kangal“ von Anna Yeliz Schentke.
Hier die vollständige Liste der Nominierten:
* Fatma Aydemir: Dschinns (Carl Hanser, Februar 2022)
* Kristine Bilkau: Nebenan (Luchterhand, März 2022)
* Daniela Dröscher: Lügen über meine Mutter (Kiepenheuer & Witsch)
* Carl-Christian Elze: Freudenberg (edition AZUR)
* Theresia Enzensberger: Auf See (Carl Hanser)
* Jan Faktor: Trottel (Kiepenheuer & Witsch)
* Marie Gamillscheg: Aufruhr der Meerestiere (Luchterhand)
* Kim de l’Horizon: Blutbuch (DuMont)
* Yael Inokai: Ein simpler Eingriff (Hanser Berlin)
* Reinhard Kaiser-Mühlecker: Wilderer (S. Fischer)
* Anna Kim: Geschichte eines Kindes (Suhrkamp)
* Esther Kinsky: Rombo (Suhrkamp)
* Dagmar Leupold: Dagegen die Elefanten! (Jung und Jung)
* Eckhart Nickel: Spitzweg (Piper)
* Gabriele Riedle: In Dschungeln. In Wüsten. Im Krieg. (Die Andere Bibliothek)
* Slata Roschal: 153 Formen des Nichtseins (homunculus)
* Anna Yeliz Schentke: Kangal (S. Fischer)
* Jochen Schmidt: Phlox (C.H.Beck)
* Andreas Stichmann: Eine Liebe in Pjöngjang (Rowohlt)
* Heinz Strunk: Ein Sommer in Niendorf (Rowohlt)
Am 22. September wird die Longlist zur Shortlist, dann bleiben sechs Finalisten übrig.
„In der deutschsprachigen Gegenwartsliteratur rumoren die großen Fragen unserer Zeit: nach Herkunft und Identität, nach Formen und Zukunft unseres Zusammenlebens", sagte Jurysprecherin Miriam Zeh. „Sie können sich in der deutschen oder österreichischen Provinz ebenso entfalten wie in Kabul oder Pjöngjang, in einer herannahenden Dystopie oder der real-historischen Ostberliner Vorwendezeit.“
Der Deutsche Buchpreis, der seit 2005 zum Auftakt der Frankfurter Buchmesse verliehen wird, ist eine der wichtigsten Auszeichnungen der Branche. 2021 ging er an Antje Rávik Strubel für ihren Roman „Blaue Frau“. Der Preis ist mit insgesamt 37.500 Euro dotiert: Der Sieger oder die Siegerin erhält 25.000 Euro, die übrigen Autoren der Shortlist bekommen jeweils 2.500 Euro.
Samstag, 2. Juli 2022
Friedenspreis für Serhij Zhadan
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Samstag, 19. März 2022
Buchpreis für drei Wortkünstler
Es gibt zwar keine echte Buchmesse in diesem Jahr in Leipzig. Aber der Buchpreis wurde verliehen. Und er ging an drei Autoren, die es verstehen, mit der Sprache und den Worten zu spielen.
Der israelische Schriftsteller Tomer Gardi erhält für seinen Roman „Eine runde Sache“ den Preis der Leipziger Buchmesse in der Kategorie Belletristik. Ein tollkühnes und großzügiges Buch, so die Laudatorin Shirin Sojitrawalla: Den ersten Teil seines Romans erzählt er nicht in astreinem Deutsch, sondern in einer Kunstsprache mit eigenartiger Rechtschreibung und merkwürdigem Satzbau. Broken German. Es gibt einen zweiten Teil, oder besser: Es gibt den Roman doppelt. Jetzt hat Tomer Gardi ihn auf Hebräisch geschrieben. Anne Birkenhauer hat ihn ins Deutsche übersetzt. … „Eine runde Sache“ ist ein Schelmenstück. Wirklichkeit und Fiktion prallen darin aufeinander wie das Echte und das Gemachte. „Mein Grundkonzept hinter diesem Roman war, dass ich wissen wollte, wie unsere Sprachen unsere Fantasie beeinflussen“, sagt Gardi.
Einen ähnlichen Ansatz verfolgt die Lyrikerin und Übersetzerin Uljana Wolf mit ihrem ausgezeichneten Sachbuch „Etymologischer Gossip. Essays und Reden“. Das Werk sei eine Art intellektuelle Autobiografie, so die Jury. Wer wissen wolle, wie sich eine fröhliche Sprachwissenschaft lese, habe damit die geeignete Lektüre.
Wie verschiedene Sprachen miteinander kommunizieren, lässt sich in der Übersetzungsarbeit von Anne Weber nachempfinden. 2020 bekam sie als Autorin den Deutschen Buchpreis. Nun wird Weber als Übersetzerin des Romans „Nevermore“ von Cécile Wajsbrot mit dem Buchpreis geehrt. Das Buch handelt von einer Übersetzerin, die Virginia Woolf ins Französische überträgt. Weber führe uns im Flüsterton dreier Sprachen ein in ein Reich der Abwesenheiten: in das ausgebombte Dresden, die im Krieg zerstörte Kathedrale von Coventry, das verseuchte Gebiet um Tschernobyl und zur Industrieruine der High Line in New York, so die Jury: Etwas lebt an diesen Orten, das sich immer wieder entzieht. So wie das Original sich dem Übersetzer entzieht. Gespensterorte und – Gespensterworte.
Donnerstag, 17. Februar 2022
Leipziger Buchpreis: Frauen vorn
Kategorie Belletristik:
Dietmar Dath: Gentzen oder: Betrunken aufräumen. Kalkülroman (Matthes & Seitz)
Tomer Gardi: Eine runde Sache, zur Hälfte übersetzt aus dem Hebräischen von Anne Birkenhauer (Literaturverlag Droschl)
Heike Geißler: Die Woche (Suhrkamp Verlag)
Emine Sevgi Özdamar: Ein von Schatten begrenzter Raum (Suhrkamp Verlag)
Katerina Poladjan: Zukunftsmusik (S. Fischer Verlag)
Kategorie Sachbuch/Essayistik
Horst Bredekamp: Michelangelo (Verlag Klaus Wagenbach)
Hadija Haruna-Oelker: Die Schönheit der Differenz. Miteinander anders denken (btb Verlag)
Christiane Hoffmann: Alles, was wir nicht erinnern. Zu Fuß auf dem Fluchtweg meines Vaters (Verlag C.H.Beck)
Juliane Rebentisch: Der Streit um Pluralität. Auseinandersetzungen mit Hannah Arendt (Suhrkamp Verlag)
Uljana Wolf: Etymologischer Gossip. Essays und Reden (kookbooks)
Kategorie Übersetzung
Irmela Hijiya-Kirschnereit übersetzte aus dem Japanischen: Dornauszieher. Der fabelhafte Jizō von Sugamo von Hiromi Itō (Matthes & Seitz)
Freitag, 22. Oktober 2021
Friedenspreis: Wer ist Tsitsi Dangarembga?
Seit 1950 verleiht der Börsenverein des Deutschen Buchhandels den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels. Mit den von ihm und den Preisträgern und Preisträgerinnen ausgelösten Debatten und Diskussionen zählt er zu den wichtigsten Kulturpreisen des Landes. Das gilt auch für die diesjährige Friedenspreisträgerin Tsitsi Dangarembga aus Simbabwe, die auch für ihr Engagement ausgezeichnet wurde.
Im mit 25 000 Euro dotierten Friedenspreis werde die Verpflichtung des Buchhandels sichtbar, mit seiner Arbeit der Völkerverständigung zu dienen, heißt es auf der website. Tsitsi Dangarembga folgt auf Amarya Sen. Die Schriftstellerin und Filmemacherin aus Simbabwe verbinde in ihrem künstlerischen Werk ein einzigartiges Erzählen mit einem universellen Blick und sei deshalb nicht nur eine der wichtigsten Künstlerinnen ihres Landes, sondern auch eine weithin hörbare Stimme Afrikas in der Gegenwartsliteratur, heißt es in der Begründung der Jury.
In ihrer Romantrilogie beschreibe Tsitsi Dangarembga am Beispiel einer heranwachsenden Frau den Kampf um das Recht auf ein menschenwürdiges Leben und weibliche Selbstbestimmung in Simbabwe. Dabei zeige sie soziale und moralische Konflikte auf, die weit über den regionalen Bezug hinausgehen und Resonanzräume für globale Gerechtigkeitsfragen eröffnen. Begleitet werde ihr künstlerisches Schaffen von dem jahrelangen Engagement, die Kultur in ihrem Land zu fördern – und diese insbesondere für Frauen zu öffnen.
Tsitsi Dangarembga wurde 1959 in Mutoko im heutigen Nordosten von Simbabwe geboren und gehört zu den wichtigsten Künstlerinnen ihres Landes. Ihr 1988 erschienener Debütroman „Nervous Conditions“ (deutsch „Aufbrechen“), wurde 2018 von der BBC in die Liste der 100 wichtigsten Bücher aufgenommen, die die Welt geprägt haben. Der Film „Neria“, für den sie 1993 die Story schrieb, zählt zu den beliebtesten Filmen in Simbabwe. Ihr neuer Roman „This Mournable Body“ (erscheint unter dem Titel „Überleben“ auf Deutsch) wurde 2020 für die Shortlist des Booker Prize nominiert. Neben ihrer Arbeit als Autorin und Filmemacherin engagiert sich Tsitsi Dangarembga seit vielen Jahren für Freiheits- und Frauenrechte sowie politische Veränderung in Simbabwe.
Buchpreis für "Blaue Frau"
Literaturkritiker Dennis Scheck hatte ein gutes Näschen. In seiner Sendung „Druckfrisch“ hatte er Antje Rávik Strubel mit ihrem Roman „Blaue Frau“ zu Gast. Ihr Roman stand auf der Shortlist zum Deutschen Buchpreis 2021. Nun hat Strubel den mit 25 000 Euro dotierten Preis erhalten, ihr Buch wurde als bester deutschsprachiger Roman des Jahres ausgezeichnet.
Der bei S. Fischer erschienene Roman schildert die Flucht einer jungen Frau vor ihren Erinnerungen an eine Vergewaltigung. Die Autorin behandle das Thema „mit existenzieller Wucht und poetischer Präzision“, urteilte die Jury unter Vorsitz von Knut Cordsen vom Bayerischen Rundfunk. „Die Geschichte einer weiblichen Selbstermächtigung weitet sich zu einer Reflexion über rivalisierende Erinnerungskulturen in Ost- und Westeuropa und Machtgefälle zwischen den Geschlechtern.“
Antje Rávik Strubel wurde in Potsdam geboren, wo sie auch lebt. Nach einer Ausbildung zur Buchhändlerin studierte sie in Potsdam und in New York Literaturwissenschaften, Psychologie und Amerikanistik.
In ihrer Dankesrede sprach die Autorin über gendergerechte Sprache und die Kämpfe darum. „Ich wusste, sollte der Preis an mich gehen, kann ich nicht sprachlos vor Ihnen stehen. Nicht in diesen zänkischen Zeiten. Und vor allem nicht nach Erhalt eines Preises – für den ich der Jury herzlich danke –, der einem Roman gilt, der die erzwungene Sprachlosigkeit einer jungen Frau umkreist und ihr Vermögen, sich der Sprache und damit ihrer selbst wieder zu bemächtigen.“
Dabei beruft sie sich auch auf Ilse Aichinger: „Vielleicht muss das Selbstverständliche erst wieder unverständlich werden, um selbstverständlich zu bleiben.“ Sonnenklar bleibe bei aller Freude am sprachlichen Wagnis: „Ravik und ich sind Schriftstellerin (nicht: Schriftsteller) und als solche manchmal ausgezeichnet mit einem Sternchen.“
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